Heute schreibe ich mit ein paar Stunden Verspätung, da ich nach dem Betrachten und Genießen der Mitternachtssonne nicht noch den ganzen Tag Revue passieren lassen wollte. Ich wollte mit den schönen Bildern vor Augen einschlafen. Als heute Morgen um 9h das Handy zum Aufstehen rief, haben wir beide noch sehr gut geschlafen. Kein Wunder, Andreas ist schließlich um 1:00 noch unterwegs gewesen, um die „richtige“ Mitternachtssonne, nicht die nach Sommerzeit, einzufangen. Nun aber von Anfang an:
Gestern beim Aufwachen hatten wir wieder traumhaftes Wetter mit Sonnenschein und ein paar Wolken. Die ersten Kilometer waren etwas holprig, da die Straße nicht so wirklich gut war. Die Gegend dafür war umso schöner. Der Norden von Norwegen hat seinen eigenen Charme. Wir sind jetzt in der Finnmark unterwegs, wo die Straßenschilder dreisprachig sind – Norwegisch, in der Sprache der Samen und Finnisch. Wir hielten an einem Rastplatz in einer kleinen Stadt, wo wir entsorgen konnten, und fanden uns bald in internationaler Gemeinschaft wieder. Wohnmobile aus Italien, Finnland, Deutschland, UK und Norwegen leisteten dem Karl Gesellschaft. Wir hatten auch ausreichend Gelegenheit Vögel zu beobachten und zu fotografieren. Überhaupt war es gestern der Tag der Tiere, wir haben sogar eine kleine Walart springen gesehen, leider gibt es keine Fotos davon (man sieht nur das Wasser spritzen). Es ist schwierig, einen Parkplatz zu finden und das richtige Objektiv anzuschrauben, über die Straße zu laufen und dann mehr als eine Schwanzflosse zu erwischen. Aber beeindruckend war es trotzdem.
Wir setzten unsere Fahrt fort und ich entdeckte ein Hinweisschild zum Tirpitz Museum. Es war sofort klar, dass wir es besuchen würden. Ich schickte Johannes ein Foto vom Eingang, wo groß Tirpitz Museum zu lesen war. Sofort kam eine Nachricht „FOTOS!“. Als brave Mutter habe ich natürlich welche gemacht und ihm auch gleich geschickt. Die Tirpitz war ein deutsches Kriegsschiff im 2. Weltkrieg, das durch einen Torpedotreffer eines Mini-U-Bootes schwer beschädigt worden war und schlussendlich durch einen Angriff englischer Bomber versenkt wurde. Im Museum sieht man viele alte Fotografien, Dokumente und v.a. Fundstücke aus dem Wrack, die Taucher auch noch im 21. Jahrhundert geborgen haben. Besonders schockierend fand ich, dass selbst auf den Unterleibchen der Besatzung ein riesiger Reichsadler prangte. Zum Schluss sahen wir uns noch das Ende eines Films an, wo an der Vernichtungsoperation beteiligte Personen interviewt wurden und ihre Erlebnisse schilderten. Es hat auch ein überlebender Deutscher die Erlebnisse aus seiner Sicht erzählt. Irgendwie beklemmend und beeindruckend. Ich möchte gar nicht über die vielen Toten nachdenken, die mit der Tirpitz gesunken sind, oder die Menschenleben, die dieses Schiff auf dem Gewissen hat. Krieg ist grausam egal wann und wer gegen wen.
Unser nächstes Ziel, das Andreas ausgewählt hatte, war Hjemmeluft, wo sich das größte Felsbilderfeld nördlich von Italien befindet. In einem Landschaftspark kann man entlang eines 5km langen Rundwegs an die 3000 Ritzungen aus der Stein-, Eisen- und Bronzezeit ansehen. Der Park ist wunderschön und diese uralten Zeugen der Kreativität und wahrscheinlich auch des Mitteilungsbedürfnisses der Menschheit beeindrucken. Danach besichtigten wir auch noch das Altamuseum, das noch mehr Infos und eine Ausstellung eines samischen Künstlers sowie alte Motorräder für uns bereithielt. Irgendwie war das dann wieder einmal ein kultureller Overload, der kaum zu verarbeiten war. Die Mittagspause auf der Terrasse des Museums mit Blick auf Park und Meer tat dann richtig gut. Es wäre schade gewesen, wenn wir dieses Zwischenziel aus Zeitgründen gestrichen hätten und der Spaziergang hat auch sehr gut getan 🙂
Auf der Weiterfahrt hatten wir unsere erste wirkliche Begegnung mit Rentieren. Nahe eines Rastplatzes grasten zwei Stück und ließen sich von den Reisenden kaum stören. Ein paar Kilometer weiter querte eine kleine Gruppe in aller Ruhe die Straße und eines lief uns entgegen. Wieder andere liefen vor und neben uns. Es sieht sehr lustig aus, wie sie ihre Füße nach hinten schleudern und sie haben interessante Färbungen und noch den Bast auf den Geweihen. Jetzt warte ich noch auf einen Elch. Andreas möchte auch einen sehen aber nur, wenn er uns nicht ins Auto läuft.
Der Verkehr Richtung Nordkap wurde immer dichter und das Wetter schlechter. Zwischenzeitlich regnete es sogar. Je näher wir dem Nordkap kamen, desto besser wurde es wieder und die Sonne schien. Vor dem Nordkaptunnel mussten wir warten, da dieser wegen einer Baustelle derzeit einspurig befahrbar ist und die Fahrzeuge hinter einem Auto der Straßenverwaltung herfahren müssen. Das muss ein Traumjob sein einen 6,8km langen Tunnel hin- und herzufahren und einen Ratenschwanz von Touristen hinter sich herzuziehen. Noch ein paar Kilometer und wir würden unser Ziel erreichen. Noch schien die Sonne und die bedrohlichen Regenwolken hielten Abstand. Und dann waren wir da, am Nordkap, und viele andere auch.
Es gibt einen riesigen Parkplatz, der uns sehr voll erschien, und kostenfrei ist. Wir hatten Glück und ergatterten einen Platz in der ersten Reihe mit Blick aufs Meer, da ein heiteres Kommen und Gehen bzw. Fahren stattfindet. Manche werfen nur einen Blick über den Rand des Kaps und machen Fotos und fahren wieder, andere so wie wir bleiben über Nacht, um auch die Mitternachtssonne zu sehen. Für das Erlebniszentrum „Nordkapphallen“ zahlt man Eintritt und nicht gerade wenig, über 600 Kronen für uns beide. Dafür bekommt man auch etwas geboten und das Ticket ist 24 Stunden gültig. Andreas ist losgestartet, um seine ersten Fotos zu machen, während ich mir in aller Ruhe erst einmal die Schuhe angezogen und die passende Weste ausgesucht habe. Den Regenschutz habe ich sicherheitshalber auch mitgenommen, falls sich die Regenwolken schnell nähern sollten.
Nach der Fotosession sind wir ins angeschlossene Restaurant gegangen, wo wir an einer Art Bar zu Abend gegessen haben. Blick nach Norden und aufs Meer :-). Danach stürmte ich den Gift-Shop, um mich mit Ansichtskarten und Briefmarken einzudecken und Andreas besorgte noch ein Nordkap-Aufkleber für den Karl. Andreas schrieb eine Ansichtskarte an seine Kardiologin und ich viele andere. Auch wieder eine an mich selbst, da ich gerne einen Stempel vom hiesigen Postamt haben wollte. Ich war nicht sehr nett zu Andreas, da ich ihn weggeschickt habe, um in Ruhe die Karten schreiben zu können. Ich fühle mich halt gestresst, wenn da jemand neben mir sitzt und nichts zu tun hat. Blöd, ich weiß….
Als die Karten im Postkasten waren, erkundeten wir das Erlebniscenter. In der Etage -3 gibt es viel zu sehen: einen Panoramafilm zum Thema der vier Jahreszeiten auf einem 125° Bildschirm – sehr beeindruckend; den Tunnel, der in historischen „Nischen“ die Geschichte des Nordkaps zeigt; „die Höhle des Lichts“, in der die vier Jahreszeiten mit Ton- und Lichteffekten präsentiert werden; die St. Johannes Kapelle (ökumenisch); das thailändische Museum und den „king´s view“, eine Terrasse ,von der aus man wieder nach Norden sehen kann und die am Ende des Tunnels auf Ebene -3 oder mehr (es geht beim Gehen ein wenig bergab) liegt. Dann war es Zeit für einen Kaffee im Coffee Shop mit obligater Mehlspeise. Inzwischen wissen wir schon sehr gut, wie was schmeckt ;-). Wir sind dann noch einmal zurück in den Karl, wo Andreas Fotos auf den Computer geladen hat und die ersten Sichtungen vorgenommen hat. Kurz vor Mitternacht sind wir dann noch einmal vor zum Blick über den Rand der Welt im Norden.
Es waren unheimlich viele Menschen unterwegs, die teilweise mit Bussen nur zum Betrachten der Mitternachtssonne her gekarrt wurden. 20 Minuten nach Mitternacht waren die meisten wieder weg. Einige hatten auch Klappsessel mitgenommen und machten es sich bequem. Es war unglaublich hell und warm – eine offene Weste war genug – und die Sonnen, die einfach nicht unterging, war schon spektakulär. Wir warfen alle lange Schatten und es wurde viel fotografiert. Auch nur mit dem Handy gelangen schönen Aufnahmen, von Andreas‘ Bildern habe ich bis jetzt nur eines gesehen, das Titelbild seines Blogs.
Ich bin dann bald ins Bett und Andreas ist dann noch einmal los, um die „richtige“ Mitternachtssonne zu fotografieren. Es waren auch noch einige andere unterwegs und ein paar Motorradfahren, wollten ihre Bikes auch noch ins rechte Licht stellen. Mein Respekt gilt jedoch all den Radfahrern und Radfahrerinnen, die die weite und beschwerliche Anreise aufs Nordkap auf sich genommen haben. Es waren nicht wenige! Der Regen kam dann auch noch, mitten in der Nacht. Momentan ist noch alles in Nebel gehüllt und in drei Minuten öffnet das Center wieder. Ich denke, ich werde mir ein Frühstück gönnen. Bis jetzt habe ich nur Kaffee in mir.
Ich wünsche euch einen schönen Tag und viel Vergnügen mit Andreas‘ Fotos. Bis heute Abend, EVA
Ergänzung Andreas: Was mich absolut begeistert hat, war diese friedliche Stimmung im Schein der Mitternachtssonne und das Mädel mit dem Rad, die aus Graubünden heugeradelt ist!
Schön, wieder mitlesen zu dürfen! Und in erinnerungen zu schwelgen, 2007 war ich mit meiner familie auch da oben 🙂 lieben gruß und gute weiterreise!
Danke vielmals. Es war unglaublich und wir sind gut und gesund zu Hause angekommen. Jetzt lese ich gerade alle Einträge noch einmal, um die Zusammenfassung schreiben zu können. Ich wünsche dir noch einen schönen Sommer.