Nach einem ausgiebigen Frühstück machte sich Andreas daran das Motorrad startklar zu machen. Als ich ihm meine Innentasche des Koffers und den Packsack brachte, lehnte er leicht verschwitzt an der Hausmauer, was bei mir alle Alarmglocken schrillen ließ. Sein Herz hatte gerade wieder einmal beschlossen ein paar Extrasystolen mehr einzulegen und er war ziemlich tachykard, d.h. sein Herz schlug viel zu schnell und unregelmäßig. Ein Pulver hatte er Gott sei Dank schon genommen. Meist wirkt dieses sehr schnell, so auch heute, und wir konnten dann doch bald aufbrechen.
Von Fuipiano ging es das Val inmagna hinunter und auf der anderen Seite einer kleinen Stadt wieder in die Berge hinauf. Fuipiano liegt immerhin auf über mehr als 1000m. Nach einigen Serpteninen und Steigungen, blieb Andreas bei einer Bank stehen, völlig durchgeschwitzt. Das Pulver aus seiner Motorradjacke dürfte schon alt gewesen sein und hatte nicht mehr die volle Wirkung entfalten können. Also haben wir eine längere Pause gemacht, Andreas hat ein weiteres Isoptin geschluckt, dann ging es ihm wieder gut. Bald hatten wir auch das Ufer des Comosees erreicht, das wir Richtung Schweiz entlang fuhren. Natürlich nicht ohne in Mandello del Lario vor der Moto Guzzi Fabrik eine Gedenkminute einzulegen. Schließlich war unser erstes Motorrad vor ein paar Jahren, mit dem diese Sucht begann, eine Moto Guzzi gewesen. Die Fahrt den Comosee entlang haben wir vor drei Jahren schon einmal gemacht und es war heute genau so schön wie damals.
Nachdem wir den See hinter uns gelassen hatten, ging es weiter in Richtung Schweiz, die wir über den Splügenpass erreichten. Die Anfahrt war toll, da die Landschaft einzigartig ist und auch die vielen Kurven und Serpentinen und Tunnel, aber auch anstrengend, da es immer wieder Baustellen gab, die mit Ampeln geregelt waren, die allesamt rot zeigten 🙁 Oben angekommen freuten wir uns, dass es keine Passkontrolle gab und dass wir das 8. Land (!) unserer Reise erreicht hatten.
Die Abfahrt auf der Schweizer Seite war noch beeindruckender, da einerseits eine unheimliche Blumenvielfalt den Weg säumte mit ganzen Flächen von irgendwelchen Bergrosen, zumindest sahen sie für mich so aus, und andererseits die Aussicht auf die in das Tal führenden Serpentinen jedes Bikerherz höher schlagen lässt 🙂
Nachdem wir wieder sicher im Tal angekommen waren ging es die Via mala entlang und durch die Via mala Schlucht – sehr beeindruckend: rechts von uns ging es steil hinauf, links fiel es ebenso steil ab, unten in der Talsohle ein Fluss, auf der anderen Seite wieder genau so steil hinauf, ziemlich dunkel, ein wenig Regen und unheimlich gute Gerüche… Dies führte uns zu unserem nächsten Pass, den Albula, der in über 2000 m Sehhöhe liegt und wirklich sehr schön zu fahren ist. Als ich in den Seitenspiegeln einige BMWs hinter uns sah, hörte ich lieber mit dem Fotografieren auf, um eine dynamische, an den Fahrer geschmiegte Sozia sein zu können, da mir klar war, dass uns diese Herren sicher nicht überholen werden…. Ist ihnen auch nicht gelungen, obwohl sie sogar auch einen kleine KTM in ihren Reihen hatten.
Oben angekommen auf 2315 m, machten wir noch ein paar Fotos und stellten fest, dass es zum ersten Mal in diesem Urlaub fast schon unangenehm kühl war. In der Schweiz war das Wetter seit dem Grenzübergang schon nicht so besonders, mit immer wieder ein wenig Regen dazwischen aber vor allem heftigen Wind! Also hatten wir nichts dagegen schnell wieder Richtung Tal zu fahren, wo es vielleicht ein wenig freundlicher sein könnte und unser nächstes Ziel anzupeilen. Da wir schon einmal in der Gegend waren, konnten wir als VIPs auch einen kleinen Abstecher nach St. Moritz machen. Aber auch dort war das Wetter schlecht und das nötige Kleingeld zum Shoppen hatte ich auch nicht mit.
Da es ohnehin immer später und später wurde ging es nun endlich zu meinem eigentlichem Wunschziel des heutigen Tages, den Berninapass. Ich finde ihn deshalb so beeindruckend, weil man neben der Bahn fährt oder diese sogar die Straße kreuzt, manchmal Murmeltiere über die Straße laufen und es oben am Pass eben dahingeht. Heute spielte leider das Wetter nicht ganz mit und wir fuhren auf dem Plateau neben oder in den Wolken.
Das war ja noch ganz romantisch, aber es kam schlimmer. Der Wind nahm noch mehr zu und es begann zu schütten. Andreas blieb oben beim Hospiz stehen, um sich sein Regengewand anzuziehen und die Handschuhe zu wechseln. Er war bis zu diesem Zeitpunkt immer noch mit der Sommergarnitur mit den abgeschnittenen Fingern unterwegs. Auch ich habe meine luftigen Sommerhandschuhe gegen ein wasserdichtes Paar getauscht und vorher noch ein Panoramafoto aufgenommen, um euch einen Eindruck vermitteln zu können.
Bei ziemlich scheußlichen Bedingungen ging es dann bergab und zurück Richtung Italien. Knapp vor der Grenze musste Andreas dann noch tanken und wunderte sich, dass ich schon etwas erschöpft war. Wir hatten keine wirklichen Pausen gemacht, sondern waren bis auf das kurze Sitzen auf der Bank, als Andreas Herz verrückt spielte, nur zum Fotografieren bzw. Andreas zum Pinkeln abgestiegen. Da ich seine Einstellung nur zu gut kenne: „In der Schweiz wird nichts gekauft.“ habe ich auch keine Kaffeepause verlangt und die Länge der Strecke deutlich unterschätzt. Da es Andreas in der Früh auch nicht gut gegangen ist und er zwischendurch immer wieder aufs Navi geschimpft hat, blieb ich lieber ruhig sitzen und habe die tollen Berge genossen und mich still verhalten. Aber ich war heilfroh, als wir in Bormio angekommen sind und Andreas darauf verzichtete, heute noch über das Stelvio zu fahren! Es ging ihm eindeutig wieder sehr gut und in den Bergen wird er immer ein wenig manisch (aus meiner Sicht gesprochen).
Bormio ist sehr Biker freundlich und wir fanden schnell ein Zimmer in einem Hotel, das Biker ausdrücklich willkommen heißt und eine eigene Garage für Motorräder hat. Ich war so geschlaucht, dass ich beim Hinaufgehen ins Zimmer gleich auf der Stiege gestolpert bin und mein Visier vom Helm gesprungen ist. Es ist Gott sei Dank noch ganz und konnte wieder eingehängt werden, aber an einer Stelle ist etwas gebrochen, sodass ich es jetzt nur vorsichtig auf und zu machen kann. Ich hoffe also auf gutes Wetter an den letzten Tagen, damit ich es offen lassen kann, damit es nicht ganz verliere. Es ist nicht lustig bei Sauwetter ohne Visier zu fahren. Also haltet mir die Daumen.
Da wir bei der Planung des heutigen Tages und während des Tages wieder einmal ziemlich aneinander vorbeigeredet haben und für mich eher die Zeit, die eine Route braucht, und nicht die Kilometer wichtig sind und Andreas und ich auch unter Pausen unterschiedliche Dinge verstehen, war die Stimmung beim Abendessen angespannt. Wir haben allerdings für morgen darauf gelernt. Es gibt jetzt mindestens zwei Varianten, wie wir nach Antholz in Südtirol kommen, wo wir wie immer bei Simon zu nächtigen planen. Fixpunkte ist nur das Stelvio, Andreas´ Lieblingspass. Vor Meran wird dann entschieden, wie es weitergehen soll, abhängig vom Wetter, meiner Konstitution und auch Laune 😉 Wenn alles passt, sind noch ein paar schöne Pässe in Südtirol drinnen, vorausgesetzt ich bekomme auch meine Kaffeepausen. Den letzten Cappuccino in Cortina habe ich schließlich schon im Mai getrunken….
Wenn alles wie geplant läuft, schlafen wir am Freitag Abend in Antholz und fahren am Samstag unsere altbewährte Route: Stallersattel, Großglockner, Lienz, usw nach Hause. Natürlich sollte sich auch ein Kaffee an der Tankstelle neben Geris Motorshop in Lienz ausgehen, wo sie bei Andreas‘ erster Tour seine Bremsen so schnell repariert haben. Seither ist die Pause dort fast Pflicht und wird auch Samstag Vormittag vermutlich stattfinden.
In der Hoffnung auf besseres Wetter morgen wünsche ich euch eine gute Nacht
Eva, die von hohen Bergen und der Unendlichkeit träumen wird 🙂
Herrlich! 😉
Und für heute wünsch ich euch besseres Wetter.
Kommt gut nach Hause!
LG, Christian
Sag dem Vottan, wenn er seine Pulver nicht nimmt gibts Arschkick wenn er heim kommt!
Wenn das Visier nicht hält wird die Aussicht einfach mit Klebeband zugepickt! 😛